MEER LESEN – MEER SCHREIBEN
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Die «writers:class» 22/23 an der HAK in Lustenau hat sich der Natur verschrieben, genauer: dem Wasser, dem Meer. Eine Auswahl der kreativen Werke, die im Verlaufe des Jahres entstanden sind, zappelt nun über den Sommer im Netz. Auf Social Media. Lasst euch von den Texten der Schüler:innen inspi­rieren. Und schreibt auch selbst – mehr/Meer.

Text: Andrea Keller*, Bild: Frauke Kühn

Wo der Sommer ist, sich Sommer warm-wabernd ausbreitet, taucht auch das Meer auf. Nicht immer, aber oft. Bei manchen von uns erscheint es tatsächlich, als rauschende Wellen­ge­stalt am Ferienort. Bei anderen zeigt es sich «nur» als zerrende Sehnsucht, als Gedanke.

Sommer – Sonne – Meer. 

Und letzteres, dieses Meer, spielt uns das Wasser entgegen.

Wasser: Eine chemische Verbindung und die Quelle des Lebens. Ein kostbares Gut, eine bedeutsame Zutat – auch bei uns selbst. Der mensch­liche Körper besteht zu 60 bis 75 Prozent aus Wasser. Bei Quallen ist die Zahl noch höher, nämlich über 95%. Selbst Steine enthalten Wasser. Gleich­zeitig schleift Wasser die Steine auch ab, zermahlt und zerkleinert sie zu Sand. Und, ja, Wasser kann Leben retten, aber es kann auch zerschmettern, zerstören, mit ungemeiner Kraft auf alles eindonnern, was ihm im Wege steht. Von Wasser können wir lernen. Es folgt seiner Natur.

 

«Sei Wasser, mein Freund», wird die Kampf­kunst-Ikone Bruce Lee zitiert.

 

«Sei gestaltlos, formlos wie Wasser. Du füllst Wasser in eine Tasse; es wird zur Tasse. Du füllst Wasser in eine Flasche; es wird zur Flasche. Du füllst es in eine Teekanne; es wird zur Teekanne. Jetzt kann Wasser fließen oder es kann zerschmettern. Sei Wasser, mein Freund.»

 

Dieser sinnbild­liche Rat hat die Schüler:innen der Klasse 2ck an der HAK Lustenau zu eigenen Texten inspi­riert. Und das ist längst nicht alles, was wir im Rahmen der writers:class bei meinen monat­lichen Besuchen formu­liert und auspro­biert haben. Die writers:class hat mit so genannten Allite­ra­tionen gespielt, also wunder­liche Sätze aus lauter Wörtern mit dem gleichen Anfangs­buch­staben gebaut …

 

Mitreis­sende Meeres­wellen massieren Menschen mit mediter­raner Muse. 

Meersalzige Meister mixen Muschel­drinks mit Melancholie.

Melodi­sches Meeres­rau­schen macht manche Matrosen meschugge. 

 

Das geht auch mit W wie Wasser:

Wunsch­denken: Wasser wellt Wohlstandsmüll weit, weit weg. 

 

Wir haben mit Gedichten experi­men­tiert, so genannte Elfchen und Zevenaars geschrieben, aus Wörtern Bilder gebaut. Wir liessen uns vom Musiker Sting und seinem «Message in a Bottle»-Song zum Flaschenpost-Schreiben (An S.O.S. to the world) antreiben, haben von ChatGPT verfasste Poesie über das Meer «renatu­ra­li­siert», will heissen: Die Schüler:innen haben die Texte der künst­lichen Intel­ligenz genommen und umgeschrieben, etwas Eigenes, etwas «Mensch­liches», etwas Natür­liches daraus gemacht. Und wir haben die Wörter oft frei fliessen lassen, einfach fliessen, fliessen, rausfliessen lassen – beim «Automa­ti­schen Schreiben»:

 

Nimm einen Stift und ein Blatt Papier. Oder, ja, auch einen Computer mit einem Textpro­gramm. Empfehlen möchte ich dir hier aber den Stift und das Papier. Lege ein Zeitfenster (z. Bsp. 7 Minuten – stelle dir beim Mobil­te­lefon den Timer) oder eine Textmenge (z. Bsp.: 2 ganze A4-Seiten) fest. Und dann leg los. Schreibe, ohne den Stift abzusetzen. Schreibe schneller, als du denken kannst. Schreibe, schreibe. Ohne Pause! Achte nicht auf Grammatik, die ist für einmal Wurst. Auch der Inhalt: ganz egal. Schreib einfach. Und wenn du nicht mehr weisst, was schreiben, wenn du Gefahr läufst, ins Stocken zu geraten: Wiederhole ein und dasselbe Wort (z. Bsp. blau blau blau), bis es irgendwann weitergeht. 

 

Probiere es aus. Es ist eine meiner Lieblings­übungen und befreiend – das verspreche ich. Das «Automa­tische Schreiben» bringt einem schnell in einen Schreib­fluss, der nur so aus den Fingern rausstürzt – und der bei uns in der «writers:class», eben, dann bis ans Meer geflossen ist.

 

MEER LESEN — MEER SCHREIBEN

– so haben wir sie getauft, unsere sommer­liche Social-Media-Kampagne, für welche die Schüler:innen einzelne Texte rausge­fischt haben, aus den Werken, die im Verlaufe der Zeit entstanden sind. Rausge­fischt, um sie noch weiter rauszu­spielen, nämlich ins Netz, also ins WWW. Und das gestal­te­risch aufbe­reitet und zusätzlich mit Audios unter­leget, bei denen euch ein profes­sio­neller Schau­spieler und eine Schau­spie­lerin vorlesen, was den Schüler:innen aus den Fingern geflossen ist.

MEER LESEN — MEER SCHREIBEN

– das ist auch als Einladung zu verstehen: Wenn euch im Sommer etwas freie Zeit bleibt, nutzt sie fürs Lesen der «writers:class»-Beispiele, und schreibt auch selbst. Ein paar Impulse konnte ich euch in diesem Text zuspielen. Oder ihr schreibt diesen Sommer kreative Postkarten – das geht nicht nur, wenn man weg und ans Meer fährt. Es funktio­niert auch wunderbar von zuhause aus. Und falls da gerade zu wenig passiert, lasst eurer Fantasie freien Lauf.

 

* Andrea Keller ist Autorin, Schreib­päd­agogin/-Coach, Kunst- und Kultur­schaf­fende, Kultur­ver­mitt­lerin. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem schöp­fe­ri­schen, stärkenden Potenzial von Sprache sowie kreativem Ausdruck als Empowerment. Im Schuljahr 22/23 und im Rahmen der writers:class (einem Projekt vom Litera­turhaus Vorarlberg und vom W*ORT) schrieb sie einmal monatlich mit Schüler:innen an der HAK, Lustenau. Mehr über Andrea: kreativ-komplizin.com / studio-narrativ.com

Und sonst so?